Gestern zum ersten Mal erlebt: Man hat mein Auto abgesaftet.
Der Reihe nach:
Wir sind auf der Durchreise und sitzen gemütlich beim Abendessen. 800 Meter weiter hängt unser Elektro-Zwerg an einer öffentlichen Ladesäule. Das Ziel ist nur noch 50 km entfernt, wir brauchen eigentlich keinen Strom. Aber Stehzeit ist Ladezeit - das geht irgendwie in Fleisch und Blut über.
Es ist ein Triple-Charger. Ich hatte das Auto mit 2 x 13 A an Typ 2 gehängt. Vielleicht braucht ja jemand viel Strom und freut sich dann, dass die beiden DC-Ports (Chademo, CCS) noch frei sind. Darum hatte ich auch nicht - wie sonst immer - meine Telefonnummer hinter die Scheibe gelegt.
Anders als bei Tesla gibt es bei VW bei Ladeproblemen keinen Push. Man muss also selbst aktiv den Fahrzeugstatus per App abfragen. Das tue ich routinemäßig so nach ungefähr 90 Minuten und lese erschreckt auf der App:
"Kein Strom. Ladeanschluss prüfen". Nach 71 Minuten war die Ladung unterbrochen worden; der Roaming-Anbieter hat bereits abgerechnet.
Huch!? An einer kostenpflichtigen Ladestation, bei der sich die Ladung nur durch dieselbe RFID beenden lässt, die zuvor zum Freischalten benutzt wurde? Das deutet auf ein ernstes Problem hin.
Ich bestelle Frau Egon entschuldigend ein leckeres Dessert und wuchte meinen Luxuskörper bei immer noch 34 Grad hurtig in Richtung Auto. Als ich nach zehn Minuten dort schweißüberströmt eintreffe, liegt mein Typ 2-Kabel sauber aufgewickelt neben dem Auto, in dem noch der Stecker steckt.
Daneben steht ein älteres Model S P85D, angeschlossen an "meinem" Typ 2-Port. Der Fahrer sitzt hinter dem Steuer. Ich ziehe die Braue hoch wie Mr. Spock und sage unwirsch: "Das ist aber nicht nett. Wieso tun Sie das?" ...und denke dabei, ohne es auszusprechen: "Und wie verdammt haben Sie das ohne meine RFID-Karte geschafft"?
Der Fahrer steigt sofort aus und überschüttet mich mit Gesten und Worten der Entschuldigung und des Bedauerns. Er habe sein Auto leer gefahren, sei hier gestrandet, habe alles versucht um mich (also den Besitzer des angehängten Autos) ausfindig zu machen und als dies erfolglos bliebt, habe er die auf der Ladesäule stehende Hotline-Nummer angerufen.
Überraschenderweise war die Hotline des Stromanbieters in den Abendstunden noch besetzt und er muss so gejammert haben, dass der Mitarbeiter dort per Remote den laufenden Ladevorgang unterbrochen, den Stecker säulenseitig freigegeben und dann auch noch die Säule freigeschaltet hat, weil der Tesla-Pilot das nicht hinbekam.
Die Story erschien mir zunächst unglaubwürdig. Welcher E-Mobilist mit einem sündteuren Performance-Tesla verfügt weder über eine Roaming-RFID noch bekommt er eine Adhoc-Freischaltung hin (Anleitung auf der Säule)? Welcher Tesla-Besitzer schafft es trotz eines riesigen Akkus mit seinem Auto zu stranden und kann dann nur über Typ 2 laden? Mit gleich zwei Superchargern in beiden Richtungen der vorbei führenden Autobahn, jeweils innerhalb der nächsten 35 km?
Aller Rätsel Lösung: Der Mann hatte absolut keine Ahnung. Er hat sich den Tesla vor längerer Zeit als Firmenwagen geleistet, lädt ihn seither jede Nacht zu Hause an einer CEE-Dose in seiner Tiefgarage und bewegt sich damit normalerweise nicht weiter als 150 km um seinen Wohnort herum. Außer heute.
Bis zu diesem Tag hat er angeblich noch nie unterwegs geladen, auch nicht an einem Supercharger. Er wusste gar nicht, wo es welche gibt und ist auch nicht auf die Idee gekommen, es sich von seinem Auto zeigen zu lassen. Da überrascht es nicht, dass er weder über CCS- noch Chademo-Adapter verfügt, so dass nur Typ 2 übrig bleibt. Dies aber immerhin über einen Doppellader (22 kW), was er ebenfalls nicht wusste.
Ich habe ehrlich gestaunt über soviel Unbedarftheit und Desinteresse. Das ist unter E-Auto-Fahrern schon sehr ungewöhnlich, funktioniert zumindest mit einem Tesla aber trotzdem. Heute allerdings nicht.
Wir haben uns dann noch eine Weile nett unterhalten und ich habe ihm ein paar Ratschläge mit auf den Weg gegeben. Der erste war, bei dieser Hitze nicht beim AC-Laden mit offener Tür die Klimaautomatik auf 16 Grad laufen zu lassen.
Grüße, Egon