Es ist unerwartet schwer, einen gut gepflegten Prius II aufzutreiben, der farblich meinem Geschmack entspricht. Angeregt durch den oben verlinkten Testbericht habe ich gestern eine Runde im Insight II gedreht - mit der Fragestellung: Ist das vielleicht eine Alternative?
Es war dieser hier (
KLICK), dort gibt es auch Bilder. Historie und Dokumente lückenlos; braucht eine neue 12 Volt-Batterie und eine Wartung mit Ölwechsel. Bremsen verrostet durch lange Standzeit, es war viel Wasser im Auspufftopf. Stand ansonsten aber gut da, Motor trocken, rundum nur minimale Gebrauchsspuren. Mein Fahrbericht beschränkt sich auf die Aspekte, die mir persönlich bei einem Auto für den Alltagsbetrieb wichtig sind:
1. Raumangebot
Die auf den ersten Blick wahrnehmbare Ähnlichkeit zum Prius II erschöpft sich beim näheren Hinsehen auf das ungewöhnliche Gesamt-Design und die zweigeteilte Heckklappe mit dem senkrechten kleinen Fenster und dem liegenden großen Fenster mit Heckwischer.
Das Auto ist im Innenraum überraschend klein. Vorne noch völlig ok, hinten aber nicht. Das Platzangebot auf der Rückbank ist ein Witz, sowohl vom Knieraum (Kleinstwagen-Niveau) als auch von der Kopffreiheit her (Sardinenbüchsen-Niveau). Das ist so ziemlich das Gegenteil des Prius II und geht gar nicht! Schade, denn alle Türen sind erfreulich groß und öffnen weit. Der Kofferraum ist ebenfalls akzeptabel. Der doppelte Boden verfügt über eine zusätzliche Durchreiche-Klappe, das ist eine gute Idee.
Die Sitze vorne sind mittelprächtig, aber wenigstens nicht zu weich. Verstellbereich Fahrersitz zu klein, Höhenverstellung aber großzügig, Verstellbereich Lenkrad gerade so ausreichend. Hinter mir kann niemand sitzen, wenn der Sitz auf mich eingestellt ist. Dabei würde ich ihn eigentlich gerne noch etwas weiter nach hinten stellen, das geht aber nicht.
Beim Aussteigen ist das Lenkrad meinem Oberschenkel im Weg, ich muss die Kiste ausziehen wie einen Kittel. Gut, das geht mir dank meines elfengleichen Körperbaus bei vielen Autos so, aber ich muss feststellen: In einem BMW der 1er-Reihe ist auch nicht weniger Platz. Der Lenkradkranz muss zwischen dem digitalen Tacho oben und den restlichen Instrumenten unten justiert werden, sonst verdeckt er immer einen der beiden Teile. Eine ebenso ungewöhnliche wie unglückliche Lösung.
2. Innenraum
Billig -> billiger -> Dacia -> Honda Insight II. Kennt Ihr billige Motels, Jugendherbergen und Studentwohnheime, in denen der gesamte Sanitärbereich aus einem einzelnen Plastik-Element besteht? In diese Richtung geht es, vor allem bei den Türverkleidungen. Alles wirkt billig, gummiartig, abwaschbar und fasst sich auch so an.
Das ist jetzt vielleicht ein bisschen hart formuliert, aber man hat sich wirklich auf das allernotwendigste beschränkt. Der Unterschied zwischen dem - in diesem Punkt über Prius-Niveau liegenden - Honda Civic IMA und dem Honda Insight II IMA ist beachtlich. Ich war auch von der Materialauswahl im Jazz Hybrid schon nicht sehr angetan, aber der Insight kann das noch unterbieten.
Dabei sieht der Innenraum nicht etwa trostlos aus, ganz im Gegenteil! Der gefahrene Insight hatte eine helle und freundliche Innenausstattung sowie eine durchaus originelle, gemischt digital-analoge Instrumentierung mit raffinierter, farblich changierender grün-blauer Hintergrundbeleuchtung. Eingebettet sind die etwas verstreut liegenden, sehr spacigen Cockpit- und Bedien-Elemente leider in kratzempfindliches hartes glänzendes Billigplastik.
Der Rotstift ist in wirklich jedem Detail überdeutlich präsent, im gesamten Innen- und Kofferraum wirkt alles vom Material her billigst. Diesen Vorwurf habe ich hier im Forum früher auch schon dem Prius II gemacht, aber der Insight liegt noch mindestens eine ganze Stufe unterhalb und sogar noch unter dem P3-Vor-Facelift - ja, doch, das geht tatsächlich. Hübsch ist also anders, aber zur Ehrenrettung: Alles ist noch akzeptabel, wenigstens sauber verarbeitet und außerdem klapperfrei.
3. Antrieb
Ich revidiere von Auto v1.7 auf Auto v1.6. Hondas IMA-System kenne ich bereits aus dem Honda Civic Hybrid und dem Honda Jazz Hybrid. Insbesondere im Civic (besser verarbeitet, besser gedämmt, viel hochwertiger im Innenraum) hat mir der IMA besser gefallen, aber der Civic ist deutlich unpraktischer wegen der fehlenden Durchlade.
Der Kraftschluss des CVT ist zu spüren, vor allem wenn man eCVT-verwöhnt ist. Der kleine Verbrenner plärrt beim kräftigen Beschleunigen infernalisch, obwohl er bei zärtlichem Gasfuß eher ein leiser Geselle ist. Unter Last hat er einen unangenehmen, rauen und heiseren Sound, klingt angestrengt. Die offenbar mangelhafte Dämmung fällt daher besonders negativ auf. Der unaufgeregte Motorstart über das IMA-System ist Klasse, alles andere leider nicht.
Wenn man mit getretener Bremse eine Fahrstufe einlegt, geht wie bei einem konventionell motorisierten Auto die Motordrehzahl leicht runter. Das konnte ich feststellen, weil der Verbrenner wegen der Klimaanlage nicht ausgehen wollte. An diesem eigentlich unwesentlichen Detail werde ich versuchen, den gefühlten Unterschied zwischen IMA und HSD erklären:
In einem HSD-Auto ist man weitgehend entkoppelt vom Antrieb. Über den Einsatz der Antriebskomponenten entscheidet die Steuerung, als Fahrer hat man beispielsweise keinen direkten Einfluss auf die Verbrennerdrehzahl. Hingegen ist man in einem Fahrzeug mit IMA viel, viel näher am Auto v1.0, kann an der Ampel im Stand sogar mit dem Gaspedal "Brumm Brumm" machen.
Nicht, dass die fehlende Entkopplung eine grundsätzlich schlechte Eigenschaft wäre. Ich wollte nur den Unterschied herausarbeiten, der sich auf das gesamte Fahrgefühl auswirkt. Und während das HSD bei jeder nur sich abzeichnenden Gelegenheit den Verbrenner abstellt, läuft er beim IMA weit, weit häufiger. Angefahren wird nicht elektrisch, das sagt eigentlich alles.
Die Fahrleistungen liegen etwa auf Niveau des Yaris HSD und damit (für mich) völlig ausreichend. Der Insight ist dabei aber lauter als ein Yaris. Nichts zu meckern gibt effizienztechnisch: Nach der Warmlauf-Phase hatte ich ständig eine niedrige 5 vor dem Komma, dazu musste ich mich noch nicht mal anstrengen. Wenn man sich viel Mühe gibt, schafft man auf längeren Strecken im Sommer wahrscheinlich sogar eine 4.
4. Résumé:
Hinsichtlich Antrieb, Raumangebot, Qualitätsanmutung und Fahrleistungen ist der Honda Insight II einem Toyota Prius II mehr oder minder deutlich unterlegen, wenn auch von der Effizienz her nicht weit entfernt. Die originelle Instrumentierung verdient besondere Erwähnung. Einem v1.0-Fahrzeug würde ich den Wagen allemal vorziehen, zumal Gebrauchte recht günstig angeboten werden.
Grüße, Egon