Heute bin ich in einem 2023er
Dacia Spring unterwegs und möchte für Euch meine Eindrücke zusammenfassen.
Was schrieb ich vor ein paar Tagen, als ich meine Eindrücke im elektrischen Renault Twingo III geschildert habe? Ich zitiere mich selbst:
[...] Sitze [...] sind zwar angenehm straff aufgepolstert, aber Seitenhalt Null, Sitzflächen kurz, Ausformung der integrierten Kopfstützen nur für Außerirdische mit flexiblem Knochengerüst - und man sitzt halt drauf, nicht drin.
Lieber Renault Twingo, ich muss Abbitte leisten. Mein Text liest sich nämlich so, als würde es nicht schlechter gehen. Das war ein Irrtum, das geht nämlich sehr wohl!
Die Sitze im Dacia Spring sehen auf den ersten Blick gar nicht schlecht aus, sind aber so unglaublich dürftig - das muss man erstmal hinbekommen. Viel einstellen lässt sich nicht und die Sitzflächen sind in Länge und Winkel ein Witz. Die Sitze selbst machen einen instabilen Eindruck, knarzen und haben Spiel. Ich ahne, welche Materialqualität für die Sitzgestelle gewählt wurde.
Die Rückenlehnen enden etwa in Höhe meiner Schulterblätter, ab dort sind sie eher vom Körper weggeformt. Selbst wenn ich mich unbequem nach hinten verbiege, schaffe ich es nicht, meinen Schädel auch nur in die Nähe der Kopfstützen zu bringen. Der Gurte verlaufen zwei Rippen zu tief. Das Sitzgefühl insgesamt ist... unbeschreiblich.
Von der Rückbank möchte ich gar nicht erst schreiben. Dort darf man gerne Kleider oder Taschen oder notfalls seine Fußhupe ablegen, aber besser keine Menschen. Dabei gibt es hinten sogar elektrische Fensterheber. Weil man die aber nicht von vorne bedienen kann (ernsthaft!), hätte man es genauso gut bei Fensterkurbeln belassen können.
Zurück zu meinen Zeilen über den Renault Twingo III. Ich schrieb:
Der Innenraum ist von der Kategorie "einfach, aber abwaschbar": Kratzanfälliges Hartplastik allüberall (auch an den äußeren Türgriffen hinten), beschämend dünne Filzteppiche und labbrige Fußmatten mit hoffnungslos untauglichen Fixierungen. Alles ist seeehr einfach gehalten; im Gegensatz zum selig entschlafenen VW eUp wirkt im Twingo III nahezu alles viel, viel billiger.
Das kann man genauso für den Dacia Spring stehen lassen. Allerdings mit Ausnahme des Fußraums, denn die Teppiche und Fußmatten im Spring machen einen vergleichsweise ordentlichen Eindruck. Das Material ist natürlich auch dort sehr einfach gehalten, aber wenigstens ist und bleibt alles an seinem Platz.
Voll des Lobes bin ich über den E-Antrieb, das kann Renault richtig gut. Der ist sparsam, die beiden Fahrprogramme (Normal und ECO) unterscheiden sich deutlich.
Auch dies schrieb ich über den Twingo, und es trifft weitgehend für den Dacia Spring zu. Allerdings fehlen im direkten Vergleich Eingriffsmöglichkeiten des Fahrers und mehrere angenehme Funktionen. So hat der Spring keine einstellbare Rekuperation, keinen brauchbaren BC, nur einen Limiter (aber keinen Tempomaten) und auch sonst fehlt so manches. Fahren kann man damit aber auch so.
Die Instrumentierung ist äußerst einfach gehalten. Selbst in den einfachen Renault-Modellen geht es insgesamt wesentlich ansehnlicher und vor allem ausführlicher zu.
Die Raumnutzung geht in Ordnung (kleines Auto und nicht sehr hoch, Platzangebot ausreichend). Das Fahrwerk ist soweit OK und fühlt sich besser an, als die winzigen Räder befürchten lassen. Von der Ausgewogenheit eines VW Polo - um einen Vergleich zu ziehen - ist es aber weit entfernt.
Ein Bild vom Kofferraum:
Kleines Detail am Rande: Im Karton mit der Aufschrift "XXL Screwdriver Set" befindet sich in reichlich Luftpolsterfolie die komplette Türgriffeinheit eines Tesla Model S. Die hatte ich von meinem noch übrig und ich will sie unserem Mitglied alupo vorbeibringen. Der wohnt in meiner Nähe und hat noch ein Model S. Er wird sie daher früher oder später brauchen.
Zurück zum Dacia Spring möchte ich ein letztes Mal meine Zeilen über den Renault E-Twingo zitieren:
Die Lenkung ist viel zu leicht und unpräzise, was in der Stadt ganz angenehm, Überland aber grenzwertig ist. Der Geradeauslauf ist aber OK.
Entschuldige, lieber Twingo, ich habe Dir nochmals unrecht getan und Deine Lenkung als
gefühllos und
unpräzise bezeichnet. Nicht, dass es nicht so ist. Aber im Vergleich zum Dacia Spring ist Deine Lenkung die reine Freude.
Das, was Dacia hier eingebaut hat, fühlt sich mehr nach einem Motorboot als nach einem PKW an. Man kurbelt ohne jeden Widerstand am Lenkrad herum, woraufhin die Fuhre den Kurs so in etwa in die gewünschte Richtung ändert. Es kann leicht passieren, dass man anschließend noch einmal in die Gegenrichtung korrigieren muss, weil man in Erwartung einer schnelleren Reaktion und aufgrund jeder fehlenden Rückmeldung einfach zu weit gekurbelt hat.
Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal in einem Auto mit einer derart leichtgängigen Lenkung und ohne jeden spürbaren Kontakt zur Straße gesessen zu haben. Wie in einem Autoscooter, aber der fährt ja nur auf einer abgesperrten Fläche. Die Servounterstützung im Dacia Spring ist derart viel zu hoch, dass ich behaupte: Das ist nichts für Fahranfänger. Man braucht schon etwas Erfahrung und Gefühl, um dieses Defizit auszubügeln.
Unter der Motorhaube ist locker Platz für einen mittelgroßen Wäschekorb. Die Chinesen haben aber nicht (wie viele ihrer Mitbewerber) einen vorgesehen, "Frunk" genannt und groß Werbung damit gemacht. Stattdessen ist unter der Haube einfach nur ein großer hoher Hohlraum. Vielleicht gibt es dafür thermische Gründe, aber ich tippe eher darauf, dass man einige Zehn Euro für einen Kunststoffeinsatz sparen wollte.
Das verbaute Infotainment ist deutlich einfacher gehalten als das im Twingo. Es ist nicht schnell, der Touchscreen blässlich und niedrig aufgelöst - wie auch in anderen chinesischen Autos schon gesehen. Immerhin registriert die Ausführung im Dacia jeden leichten Fingertipp. Navigation, UKW/DAB-Radio und Telefonfreisprech funktionieren, wenngleich auf niedrigem Niveau, recht gut. Auf Extras oder nennenswerte Auskunftsfreude braucht man nicht zu hoffen. Vielleicht abgesehen von der umfangreichen GPS-Darstellung, welche in diesem Auto ziemlich überraschend ist.
![](http://www.priusfreunde.de/portal/images/M_images/Egon/Megane/DaciaSpring_11.jpg)
Der Spring ist ein Nasenlader. Das ist gut. Aber die Mechanik da vorn, diese Ladeklappe, die über einen Seilzug geöffnet wird - das macht einen windigen, billigen, windschiefen Eindruck. Zugegeben, für einen besseren kann man sich nichts kaufen und es funktioniert ja so. Aber noch einfacher hätte man das nicht lösen können. Leichte Zweifel an der Dauerhaltbarkeit scheinen angebracht, denn das ist ja nicht nur exponiert im Frontbereich, sondern macht auch nicht den Eindruck, als habe der Witterungsschutz der Mechanik im Pflichtenheft gestanden. Die elektrischen Kontakte sind mit Gumminöpseln abgedeckt.
Ich habe versuchsweise den CCS-Port ausprobiert und das Positivste was ich darüber sagen ist, dass die DC-Ladung tadellos funktioniert hat. Nur darf man halt nicht erwarten, dass es wesentlich schneller geht als AC-Laden mit einem vernünftigen AC-Bordlader (3 x 32A).
Noch ein letzter Schnappschuss unter dem Motto
Vergangenheit trifft Moderne: Die LEDs des Mobilfunk-Notrufmoduls neben der trüb-funzeligen Glühobst-Innenraumbeleuchtung.
Jetzt habe ich soviel Negatives über den Dacia Spring geschrieben, dass natürlich jeder auch ein negatives Fazit erwartet. Hier muss ich aber enttäuschen, denn das kann ich so nicht ziehen. Stattdessen stelle ich fest: Für (vergleichsweise) wenig Geld erhält man ein einfaches E-Auto - nicht mehr, nicht weniger. Es fährt, es braucht wenig Strom, es erfüllt viele automobile Grundbedürfnisse. Das passt!
Ich bin froh, dass es überhaupt ein solches Angebot auf dem deutschen Markt gibt. Eine Preiserhöhung aufgrund von Importzöllen auf chinesische E-Autos könnten ihm allerdings den Garaus machen.
Grüße, Egon