Am 26.2.2015 war Stichtag. Ich fuhr das Model S 60 dann genau ein Jahr lang und rund 30TKM.
Hier also meine Bilanz nach einem Jahr im Model S 60.
Vorwort
Nach einem Jahr und rund 30.000 km mit dem Model S 60 bin ich begeistert wie am ersten Tag. Das Auto ist einfach eine Wucht. Unglaublich, was der Newcomer als erstes eigens entwickeltes Auto auf die Räder gestellt hat! Fahrkomfort, Platzangebot und die Vorteile des elektrischen Antriebs unter Ökostrom sind hier ja schon ausgiebig besprochen worden. Aber auch wenn es noch sehr viele Zweifler gibt: Wenn das Auto zum Mobilitätsprofil passt und man sich das Model S als doch recht hoch subventionierten Firmenwagen leisten kann, gibt es meines Erachtens für diesen finanziellen Einsatz kein besseres Auto auf dem Planeten.
Das Model S setzt Maßstäbe in Fahrgefühl, Bedienung und Service und rüttelt damit dermaßen beeindruckend an den alten Konzepten, dass eine Rückkehr zum konventionellen Auto für mich gar nicht mehr vorstellbar ist. Die allermeisten Skeptiker sind nicht einmal damit gefahren und/oder haben ein dermaßen unpassendes Fahrprofil, dass ihre Skepsis durchaus auch mal begründet ist. Das betrifft aber meist dann doch nur die Tankgewohnheiten, in jedem Fall aber den Autobahn-Bleifußfahrer oder Vertriebler, der sich und sein Auto unter Druck von Termin zu Termin hetzt. Technisch betrachtet ist das Model S dennoch jedem anderen Auto haushoch überlegen.
Von der Komfortseite betrachtet, machte es mir relativ wenig aus, dass anfänglich noch Nachholbedarf bei den Assistenzsystemen bestand. Klar, mir fehlte der Abstandtempomat, den ich von den Vorgängerfahrzeugen gewohnt war. Aber die prinzipiellen Eigenschaften überwogen auch schon in den älteren Modellen der Model S, zu welchen mein Model S gehört. Das ist nun aber Geschichte, denn seit September 2014 sind alle Model S von der Hardware-Seite für Autopilot ausgerüstet. Einige Features wurden bereits und andere werden noch per Over-the-air (OTA) Software-Updates nachgeliefert.
Aber nun konkret zu den Vorzügen des Model S, ganz speziell für mich:
Raumkonzept
Kofferraum
Das Model S erfüllt mir einen Traum: Eine schicke, coupéartig geschnittene Limousine wie ein Citroën CX auf der einen Seite, auf der anderen Seite mit großer Heckklappe und einem Ladevolumen eines Minivans oder großen Kombis.
Besonders bewährt hat sich das Kofferraumkonzept:
Hinten im Oberdeck fühlt sich der Wauwau sauwohl. Der Kofferraum ist so hoch, dass ein Hund mit 59 cm Schulterhöhe aufstehen kann um sich mal zu drehen. Die Kabelage und sonstiger Krims-Krams verweilt darunter im Unterdeck, das so groß ausfällt, dass es z.B. bei Urlaubsfahrten eine große Reisetasche aufnehmen kann und trotzdem noch Platz für Kabel und andere Kleinigkeiten lässt. Der hintere Kofferraum ist dermaßen groß und vor allem tief, dass ich nie - wie bei meinen Vorgängern schon ab und zu mal nötig - die Sitze umlegen musste. Das ist ein Riesenvorteil, wenn man, wie ich, doch recht häufig mit Passagieren im Fond unterwegs ist.
Vorne im Frunk werden im Alltag die persönlichen Dinge und die Lebensmitteleinkäufe verstaut. So hygienisch getrennt geht das nur im Model S.
Innenraum
Die Türen wirken auf den ersten Blick klein, aber das Auto ist halt sehr groß. So passt der Kindersitz in einem Flutsch durch die hintere Türöffnung, woran ich z.B. beim damaligen Probenehmen des Citroën C5 II bald verzweifelt war. Vorne ist das Raumangebot prima und die Sitze sind auch auf langen Strecken sehr bequem. Auch die Kopffreiheit ist gut. Ich messe 189cm.
Allerdings ist die Kopffreiheit nur beim Model S mit dem großen Panoramadach besonders gut, denn es hinterlässt einen luftigen Ausschnitt im Dachhimmel, weil es nicht unter den Dachhimmel öffnet, sondern außen über das Dach gleitet. Hier möchte ich gleich noch anfügen, dass dieses riesige Glasdach eine wahre Bereicherung des Model S darstellt und es darunter selbst bei hoher Sonneneinstrahlung niemals thermisch lästig wurde. Eine Jalousie, wie ich sie vom Prius Plus kannte, fehlt und ist auch nicht notwendig.
Es gibt auch Negatives bezüglich des Innenraums. Der Sitzkomfort hinten ist eher suboptimal und einer großen Limousine absolut nicht würdig. Die Beinfreiheit geht in Ordnung, aber die Polster sind zu flach gestaltet und der Kopfraum ist doch ziemlich begrenzt. Die Kopfstützen sind zu kurz und nicht verstellbar. Ersteres wurde in den neueren Model S nachgebessert. Sie sind nun wenigstens hoch genug ausgelegt. Wie schon im Prius+ sind die Armlehnen etwas zu hart.
Eine Besonderheit: Die Türen haben keine großen Ablagen. Das ist dem Soundkonzept des Model S geschuldet, denn nach eigenen Angaben durfte der beauftrage Hersteller
Sinn die Türverkleidungen frei mitgestalten. Optisch ist das wunderschön, weil die Türverkleidungen ein elegantes, reduziertes Design haben können, und akustisch ist das schlicht der Hammer. Vergiss die Ablagen! So ist's besser.
Fahreigenschaften
Fahrgefühl
Ich habe noch kein Auto besessen, das sprichwörtlich wie ein Brett liegt. Das Model S ist solch ein Auto. Ich habe aber schon Autos gefahren, die wie ein Brett liegen. Die federten dann aber auch wie ein Brett. Mit dem Model S scheint es erstmals möglich, unfassbare Kurvengeschwindigkeiten mit einem relativ sanftem Fahrwerk zu kombinieren. Das Rezept des tiefen Schwerpunkts durch die im Boden verbauten Batterien ist im Alltag omnipräsent. Das Auto neigt sich nicht in Kurven, zirkelt zielgenau in Kehren und cruist geradezu spielerisch durch den Verkehr. Dabei hinterlässt das Model stets das Gefühl, nicht in einem Sportwagen, sondern in einer komfortablen Limousine zu sitzen. Wie kann man jemals wieder anders Auto fahren?
Und dann natürlich der Antriebskomfort. Das Auto ist extrem leise. Ob Tempo 100 oder 120: Je nach Asphalt 59 bis 62 dBA. Das können andere zwar auch. Aber nur unter optimalen Bedingungen.
Man stelle sich vor, einen steilen Berg mit der Geräuschkulisse hochzufahren, die ein Verbrennerauto nur erreichen kann, wenn es den selben Berg mit abgeschaltetem Motor hinunterführe. Das stets leise Fahren ist jeden Tag ein Grund zur Freude und zeigt wie unschlagbar der Elektrische Antrieb in Sachen Geräuschkomfort ist. Jedes andere Auto wirkt diesbezüglich wie ein Oldtimer.
Klar können andere Autos auch mal recht leise fahren. Und die Tester messen ja auch immer in der Ebene, unter Teillast, in großen Gängen gleitend. Aber diese Ruhe ist dort eben nicht durchgängig wie im Tesla. Man nehme alleine den Kaltstart oder eine längere Steigung. Oder einfach das Anfahren. Soll ja nicht selten vorkommen.
Auch schafft es keine Automatik, die üppige Antriebskraft so sanft und direkt zugleich umzusetzen. Kein anderes Antriebsprinzip kann bei Bedarf dermaßen schnell die Höchstleistung abrufen. Das ist ein Vorteil, der sich nicht nur bei kindischen Ampelstarts oder kleineren Wettrenen bezahlt macht, zu denen ich mich doch mal hinreißen lasse, sondern ein ganz ernstes Argument für einen Sicherheitsgewinn beim Überholen oder wenn ich mal schnell beschleunigen muss um mich einzufädeln. Alles in allem sind das Sachen, auf die ich nicht mehr verzichten möchte.
Zuverlässigkeit / Wartung
Mein Model S war im ersten Jahr nicht davon befreit, unplanmäßig in die Werkstatt zu müssen. Eine Panne oder einen Defekt gab es jedoch nicht. Auch ein Liegenbleiben wegen einer leeren Batterie war über die 30TKM nicht im Ansatz zu befürchten gewesen.
Unplanmäßig in die Werkstatt zu müssen war genau einmal der Fall. Es war aufgrund eines freiwilligen Rückrufs mit vorsorglichem Wechsel des Kontaktors. Das ist ein Schütz in der Fahrbatterie. Eine Upgrade-Maßnahme war es noch, die mich in die Werkstatt führte, aber freiwillig von mir vorgezogen wurde. Ich hätte damit auch bis zur kommenden Inspektion warten können.
KM 450: Ranger kommt in die Firma zur Nachjustierung des Fahrlichts
KM 2.555: Online-Software-Update 5.88 auf 5.90
KM 4.258: Online-Software-Update 5.90
KM 8.701: Vor-Ort Ranger Service Vorsorglicher Wechsel des Tachodisplays
KM 10.750: Online-Software-Update 5.90 auf 6.00
KM 14.529: Freiwillig vorgezogener Werkstattaufenthalt. Montage des Titan-Unterbodenschutzes und Retrofit des Doppelladers auf 32 kW 8 (zuvor 26 kW)
KM 20.979: Inspektion
KM 23.493: Winterreifen Michelin A4 montiert (Reifenhändler)
KM 27.816: Online-Software-Update 6.00 auf 6.10
KM 28.573: Garantie: Contactor ausgetauscht, Drive-Unit ausgetauscht. Autobahnpaket als kostenloses Upgrade nachgerüstet
KM 30.181: Online-Software-Update 6.10
Verbrauch / Ökologie / Tankkomfort
Verbrauch
Hierzu muss ich nicht viel schreiben. Ich hänge weiter unten die Daten an und verweise auf meinen Spritmonitor. Eine schwere Limousine mit der vergleichbaren Energiemenge von 1,9 Litern Diesel auf hundert Kilometern zu bewegen, sagt doch schon alles.
Ökologie
Ich lade ich ausschließlich Strom aus regenerativen Quellen, vorrangig tagsüber in der Firma, und die hat eine riesige Dachfläche. Alles voll mit Solarzellen.
Für andere Ladestellen habe ich einen Vertrag mit garantiert 100 Prozent Wasserkraft. Die Diskussion, wie der Stromzertifikatehandel funktioniert, bitte ich hier mal sein zu lassen. Mein Anbieter ist Lichtblick.
Jedenfalls bin ich der Auffassung, dass man ein Elektroauto auch mit Ökostrom fahren sollte. Auch wenn der CO2-Ausstoß selbst mit den Deutschen Strommix weit unter dem vergleichbar großer und starker Autos mit Verbrennungsmotoren bleibt: 110 g/km (Spritmonitor setzt einen veralteten, viel höheren Wert von 599g/kWh an). Welche Limousine mit gleichen Ausmaßen und Leistungen schafft da in der Praxis weniger als das Doppelte?
Tankkomfort
Als ich das Model S im Juni 2013 bestellte, gab es nicht eine Supercharger-Station in Deutschland. Es kursierten Gerüchte, dass Tesla das Superchargernetz auch für Deutschland plane. Also bestellte ich diese Option vorsorglich für mein Model S.
Klar, auf Langstrecken muss man sich mit dem MS 60 schon mal gedulden. Jedenfalls mehr als mit dem Model S 85, das schneller mehr Kilometer nachlädt. Damit zurechtzukommen, kommt jedenfalls ganz auf die Reisegewohnheiten an.
Bisher hatten wir es zwar so, dass die Passagiere langsamer und genauso als es der Ladevorgang erforderte. Das liegt einerseits daran, dass man, wenn man eh schon mal pausiert, das dann auch gerne ausgiebiger nutzt und etwas zu trinken oder zu Essen bestellt. Dann muss erst mal der Service kommen, den Kaffee bringen, wieder zum Zahlen gerufen werden...
Ein weiterer Grund, warum Pausen in meiner Familie eher willkommen als störend sind, liegt in der für uns gewohnten Reisekultur. Wir hielten auch schon mit den Verbrennern spätestens alle 2-3 Stunden an. Ob wegen des Hundes, der Toilette oder Zigarettenpausen.
Gestern war es allerdings erstmalig andersherum. Mitten in der Nacht an einem Supercharger zu laden, wo die größte Attraktion eine Cafetria einer Total-Tankstelle ist, mit krächzendem Radioprogramm aus dem Deckenlautsprecher und einem Automatenkaffee, der einem das Mundwerk verbrüht und selbst tagsüber nur ein McDonald's-„Restaurant“ als Alternative blüht - das ist auch für den erfahrenen Tesla Model S 60 Fahrer eine Zumutung. So verbrachten wir die 25 Minuten zum Aufladen lieber im schönen Auto und genossen den guten Sound der Anlage und die Annehmlichkeiten von Sitz- und Standheizung. Wir hatten bisher aber durchweg viel bessere Erfahrung und nette Erinnerungen an die Ladepausen. Wer einen Tesla fährt, trifft an der Station entweder auf andere Tesla-Fahrer oder auf Tesla-Interessierte. Ein späteres Wegfahren war somit nie der Betankungszeit, sondern dem Umständen des Pausierens geschuldet gewesen. Das Model S war also immer schneller als wir. Aber so wie eben des nachts passiert beschrieben kann das auch mal sein.
Das soll nicht verschwiegen bleiben.
Auf den Langstrecken sind die Ladezeiten nun mal länger als mit Verbrennern. Das kann man mit dem Model S 85 zwar noch mal deutlich relativieren. Aber für Fahrprofile mit Schwerpunkt auf Langestecke brauchte es dann noch mehr Reichweite und noch schnelleres Laden. Oder ein Umdenken, was nebenbei auch nervenschonende Effekte mitbrächte.
Aber im Alltag? Bei meinem Nutzungsprofil ist das Laden ein Gewinn gegenüber vorher, kein Verlust. Mein Auto tankt von selber, während ich arbeite, shoppe, schlafe, am Strand den Lenkdrachen steuere.
Wer solche Rahmenbedingungen hat oder sie aus der Ferne schon erkennen kann, empfindet das Benzintanken als anno dazumal, wo man noch in regelmäßigen Abständen zur Tanke fuhr und mit den muffeligen Tankrüsseln hantierte, an der Kasse anstand und die EC-Karte zückt. Dann leuchtet es ein, dass das Betanken eines Elektroautos im Grunde genommen mehr Fortschritte bietet als üblicherweise angenommen wird. Die Nachteile des alten Betankens sind für mich jedenfalls passé und brauchen auch bitte nicht wiederzukommen. Ich habe aber auch ein sehr gut passendes Mobilitätsprofil.
Fazit
Einmal Model S, wieder Model S.
Wegen des passenden Fahrprofils erwies sich die Batteriegröße des Model S 60 als durchweg ausreichende Option. Ich werde nur deswegen auf den 85er umsteigen, weil es den 60er leider nicht als Allradversion gibt, auf die ich wirklich scharf bin. Die bahnbrechenden Vorzüge des Konzepts in meinem Alltag überwiegen die wenigen Anpassungen, für welche ich auf den relativ seltenen Langstrecken ab und zu noch bereit sein muss. Alle anderen Anpassungen sind positiver Natur: Leiser, sauberer, schneller, komfortabler und mehr Platz im Auto durch das Wegfallen des Verbrennungsmotors und seiner komplexen wie platzraubenden Peripherie.
Wer in der Preisklasse jenseits der 65.000 Euro keine Ohnmachtsanfälle bekommt und die Zugänglichkeit einer eigenen Lademöglichkeit herstellen kann, soll das Model S unbedingt in Betracht ziehen. Denn auch und vor allem beim Elektroauto gilt: Probieren geht über studieren.
Soweit zum Probieren, nun zum Studieren. Zum Abschluss meine Logdaten:
Stromkosten (inclusive Ladeverluste, Standheizung, Bereitschaftsmodus)
Tank-to-Wheel Verbrauch - Gesamt
Saisonbereinigt aufgeschlüsselt
Verbrauch vs Temperaturbedingungen
![](http://www.citroen-cx.org/foren/30tkm_1jahr_verbrauch_vs_temperatur.jpg)
Jeder Punkt steht für einen Ladevorgang. Die Temperaturen sind nächtliche Tiefstwerte im Taunus.
Verbrauch vs Verkehrsarten
![](http://www.citroen-cx.org/foren/30tkm_1jahr_verbrauch_vs_verkehr.jpg)
PF= Probefahrten, NL = Niederlande, PS = Pendelstrecke
Verteilung des Fahrstils
Bemerkung:
Der Ecoanteil war vorwiegend auf Autobahnen, also Tempi um 100 und 110, wenn Bedingungen wie Schneefall, Starkregen oder Kälte die Reichweite beeinflussten.
Die Supercharger lagen 230 km auseinander. Daher war manchmal ein vorsichtiger Umgang mit dem Gaspedal nötig. Das ist nun mal mit dem Model S 60 noch nötig. Aber es waren auch ein paar wenige Fahrten im Sommer dabei, um mal zu sehen, wie niedrig der Verbrauch des Model S bei einem Eco-Fahrstil sein kann, oder weil Sonntagsfahrer einfach keinen normalen Fahrstil zuließen.
Wer noch ein bissl Fotos meines MS angucken will, kann das
hier tun.
Das war's soweit erst mal mit meinem Fazit aus dem ersten Jahr mit dem Model S.
Grüße
Holger
(Edith hat noch ein paar Rechtschreibfehler ausgemerzt.)