Nach langer Zeit gibt es endlich mal etwas Negatives zu berichten: Mein Tesla hat mich angezickt. Ohne Vorwarnung, also aus heiterem Himmel.
Er steht in einem anderen Wohnsitz, weil ich ihn derzeit nur selten brauche. Letzte Woche wollte ich routinemäßig per Remote nachschauen, ob alles OK ist, erhielt aber keine Verbindung mehr zum Fahrzeug. Als ich ein paar Tage später sowieso dort vorbei musste, begrüßte er mich nach dem Öffnen mit
Ach je, nix gut.
Der SOC war von zuletzt 54 auf 26 Prozent gefallen, innerhalb von 4 bis 10 Tagen, genauer kann ich es leider nicht eingrenzen. Der Systemabsturz ging also offenbar mit permanent hohem Stromverbrauch einher - nicht ungefährlich für den Akku, wenn das über einen längeren Zeitraum hinweg unbemerkt bleibt.
Das Hochfahren der Systeme dauerte mehrere 10 Sekunden, was sehr ungewöhnlich ist. Im Normalfall wird diese Meldung erst gar nicht ausgegeben:
Danach befand sich der Wagen in einem Notprogramm: Fahrbereit bei aktiver Klimaautomatik (Heizung) und automatischer Beleuchtung, das war das Wichtigste. Aber Ausfall nahezu sämtlicher Assistenz- und Komfortsysteme wie Autopilot, PDC, Rückfahrkamera, Navi, Radio, Signaltöne im Innenraum etc. Dies wurde auch so auf dem Display gemeldet. Supercharging war nicht verfügbar, AC-Laden auf 3 x 10 (von 32) A gedrosselt. Keine Verbindung zum Tesla-Server.
Ich habe sofort eine kurze und problemlose Probefahrt gemacht. Es war aber schon stockdunkel und hätte nichts gebracht, das Auto mitten in der Nacht zu Tesla zu bringen. Also habe ich ihn wieder zurück in seine enge 60er-Jahre-Garage bugsiert, die rundum nur wenige Zentimeter größer ist als das Auto und in die ich es nicht vorwärts reinfahren kann. Ohne Rückfahrkamera war das eine äußerst mühsame und riskante Aktion, die ich so nicht noch einmal durchführen werde.
Am nächsten Morgen war der SOC auf 22% gefallen. Ich machte mich mit flauem Gefühl frühzeitig auf den Weg zum nächsten Tesla-Servicecenter und bin dort mit rund 10% Rest eingetrudelt. So tief entlade ich den Akku sonst nie.
Man hängte den Wagen an einen der Destination-Charger in der Werkstatt und verschaffte sich sogleich Zugang zur bordeigenen Netzwerk-Schnittstelle. Die Werkstatt darf nicht von Kunden betreten werden. Ich vermutete einen defekten Speicherchip (bekannter Serienfehler), was aber nach der Diagnose von mehreren Mitarbeitern auch auf mehrfache Nachfrage ausdrücklich verneint wurde. Im Gegenteil: Der Chip in meinem Fahrzeug sei kaum degradiert und ein Ausfall in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, ein Austausch mithin unnötig. Das habe ich sogar schriftlich, es wurde auf der mir später übermittelten Rechnung automatisch vermerkt.
Anschließend führte man ein Software-Recovery durch, was mehrere Stunden gedauert hat. Die ausgefallenen Systeme erwachten wieder zum Leben. Allerdings funktionierten Teile des Audio-Systems und insbesondere die Verwaltung der Bluetooth-Endgeräte erst nach mehreren weichen Resets, also nicht bereits bei der Übergabe des Autos an mich. Zuvor wurde stattdessen mehrfach eine weitere Fehlermeldung ausgegeben, die erst später dauerhaft verschwunden ist:
Das Ganze hat schließlich faire 86 Euro gekostet,
"im Sinne der Kundenzufriedenheit", wie man mir erklärte. Bei einem ausgewiesenen Stundensatz von 135 Euro ist das für eine mehrstündige Reparatur natürlich recht günstig, also vielen Dank dafür. Gar kein Ereignis für dann Null Euro hätten mich allerdings noch zufriedener gemacht.
Bemerkenswert ist die reibungslose und praktisch vollständig EDV-basierte Abwicklung, hinter der ein beachtlicher Software-Unterbau stecken muss. Auf Papier passiert bei Tesla gar nichts mehr, das ist seit meinem letzten Kontakt vor anderthalb Jahren nochmals erheblich professioneller geworden. Ich wurde fortwährend und in Echtzeit parallel per SMS, per E-Mail und per Tesla-App über alle einzelnen und bevorstehenden Schritte informiert.
Was immer ein Tesla-Mitarbeiter in sein Terminal hackt löst automatisch alle weiteren notwendigen Aktionen aus, inklusive Information des Kunden auf allen verfügbaren Wegen. Es wird auch kein Mitarbeiter telefonisch aus der Werkstatt gerufen: Wenn notwendig bekommt er diese Information vollautomatisch elektronisch übermittelt und erscheint nach kurzer Zeit vorne am Desk. Das ist insgesamt schon ziemlich beeindruckend.
Später dann die Abholaufforderung für das nebenbei geladene Auto, die Rechnung erscheint in der App und kann von dort als PDF herunter geladen werden. Alles funktioniert einfach und scheint voll automatisiert. Ich hätte sogar per Tesla-App die Zahlung direkt autorisieren können.
Beeindruckend. Dennoch war dieser Ausfall natürlich kein erfreuliches Ereignis, auch wenn er professionell und zu einem angemessenen Preis behoben wurde. Es hätte ganz leicht äußerst dumm laufen können: Wäre nämlich die PIN-Sperre aktiv gewesen, so wäre das Auto nicht mehr fahrbereit gewesen. Es hätte dann mit Rutschkeilen auf meine Verantwortung aus der engen Garage gezogen werden müssen.
Ich sehe vor meinem geistigen Auge die Diesel-SUV-begeisterte Nachbarschaft, die es schon immer gewusst hat und eine solche Aktion feixend kommentiert. Und wäre das nächste Service-Center nicht im Bereich des Rest-SOC ansässig, hätte ich anschließend einen Abschlepper gebraucht. Das wäre richtig unangenehm, aufwendig und teuer geworden und es ist einfach nur Glück und günstigen Umständen geschuldet, dass es gut gelaufen ist.
Was mich misstrauisch macht: Die konkrete Ursache für den Ausfall konnte man nicht benennen. Die Mitarbeiter bemühten Vergleiche zu PC-Betriebssystemen und notwendigen Resets, aber als technisch interessierter Mensch ohne ausgeprägte EDV-Legasthenie blieb das in meinen Augen alles höchst vage und Wischi Waschi. Entweder wussten die Tesla-Mitarbeiter selbst nicht so genau, was hier ursächlich gewesen ist oder sie durften es mir nicht sagen.
Nicht zu übersehen ist, dass so ein Tesla ein Rechner- und Netzwerk-Verbund ist, um den herum man ein Auto konstruiert hat. Ich denke, ich werde nächstes Frühjahr der alten MCU ein neues Daughterboard mit 64 GB spendieren. Das ist vielleicht nicht notwendig, aber es schadet nicht und ist nicht teuer. Bei einem Ausfall würde Tesla die Kosten dafür sogar übernehmen, es gab dazu neulich eine nachträgliche Erweiterung des Garantieumfangs nach Ablauf der Werksgarantie.
Zu erwähnen ist noch, dass die Winterräder einen Sägezahn entwickelt haben. Die sind aber nach fünf Jahren ohnehin im nächsten Jahr fällig, so dass ich das entspannt sehe.
Grüße, Egon