Hallo zusammen,
mein Leihwagen war diesmal ein Volkswagen Golf Variant 1.4 TSI mit 122 PS und 6-Gang-Schaltgetriebe. Die Ausstattungslinie konnte ich nicht identifizieren, es schien sich aber um ein Sondermodell gehandelt zu haben, da die Ausstattungskombination mir sehr seltsam erschien. Von außen ließen Chromleisten an den Fenstern und originale Alufelgen einerseits auf eine höhere Ausstattungslinie schließen, unlackierte Außenspiegel hingegen auf das Gegenteil.
Im Innenraum sind mir Alupedale und Sitzbezüge mit Velourseinlagen aufgefallen. An Ausstattung waren das DVD-Navigationssystem mit Touchscreen, eine Zweizonen-Klimaautomatik, ein Tempomat und ein automatisch abblendender Innenspiegel an Bord.
Während es sich beim Modellwechsel der Golf-Steilheckvariante von V nach VI um ein sehr umfangreiches Facelift des Golf V gehandelt hat, hat man in den Variant nicht solche Mühen investiert. Er trägt zwar das Gesicht des Golf VI, die restliche Karosserie wurde aber nicht verändert. Auch Türgriffe und Außenspiegel stammen noch vom Golf V. Im Innenraum gibt es zwar das Armaturenbrett des Golf VI, jedoch weiterhin die Türverkleidungen des Golf V.
Vor diesem Hintergrund wirkt der Golf Variant inzwischen arg angestaubt und ziemlich altmodisch und bieder. Andere besetzen diese Adjektive zusammenfassend positiv mit Wort zeitlos, worauf ich jedoch verzichte, da dieses Wort gleichermaßen unzutreffend wie schwachsinnig ist.
Die Spaltmaße der Karosserie sind bis auf wenige Ausnahmen halbwegs genau, jedoch für Volkswagen untypisch groß. Ebenfalls untypisch sind blechern schließende Türen und Klappen. Bei den normalen Golf-Varianten wirkt das deutlich hochwertiger. Möglicherweise liegt es daran, dass der Variant auf dem Jetta basiert und in Mexico vom Band läuft. Mir ist bereits häufiger aufgefallen, dass die in Deutschland gefertigten VW-Modelle besser verarbeitet sind als die mexikanischen.
Im Innenraum Platz genommen fallen zunächst große und recht bequeme Sitze auf, deren Einstellbereiche ebenso vorbildlich sind, wie der Einstellbereich des Lenkrads. Auf längeren Strecken habe ich jedoch, wie auch in anderen VW-Modellen, Rückenschmerzen bekommen. Diese Probleme habe ich bspw. beim Prius nicht. Allerdings zähle ich mit 1,78m auch eher zu den Zwergen, die gut auf japanischen Sitzen Platz nehmen können. Für größere Personen sind die Golf-Sitze sicherlich geeigneter. Die Platzverhältnisse vorne sind recht gut. Hinten lassen die Platzverhältnisse jedoch zu wünsche übrig. Die Kniefreiheit ist sehr eingeschränkt und die Rückbank ist, wie bei den meisten deutschen Autos, viel zu tief montiert. Dies hat zur Folge, dass man gerade noch mit dem Gesäß auf der Bank sitzt, aber Oberschenkel und Knie in der Luft hängen. Übertrieben ausgedrückt, hat man die Beine unter dem Kinn hängen.
Hinzu kommt, dass die Konstruktion der Vordersitzlehnen lebensgefährlich ist. Mich wundert, dass man davon bislang noch nie etwas gelesen hat. So bin ich beim Aussteigen aus dem Fond mit den Knien an den Rückseite der Sitzlehnen vorbeigestreift und habe mir dabei die Knie ziemlich ramponiert. Warum? Hinten an der Sitzlehne ragen aus beiden Lehnen auf Kniehöhe jeweils zwei Metallstifte aus der Lehne heraus (siehe Fotos). Diese sind in keiner Weise gepolstert, sondern werden nur von dem Stoff des Sitzbezuges abgedeckt. Wenn ich mir die Knie schon beim Aussteigen derart wehgetan habe, frage ich mich, welche Verletzungen erst bei einem Unfall passieren können. Für Familien mit größeren Kindern taugt der Golf aus meiner Sicht aufgrund der Rückbankkonstruktion und der mangelnden Kniefreiheit nicht.
Vorne schaut man auf das bekannte Golf VI-Armaturenbrett. In diesem Fall ist es aber etwas liederlich zusammengebaut. So sind die Passungen der Mittelkonsole (siehe Fotos) krumm und schief. Auffällig ist auch, dass sich die Nähte des Lederlenkrads (welches sich sehr synthetisch anfühlt), bereits nach 20.000km auflösen. Die Materialanmutung ist im Sichtbereich gut, jedoch ist der Kunststoff nur noch minimal aufgeschäumt. Ab Mitte des Armaturenbretts abwärts, kommt nur noch Hartplastik zum Einsatz, was erstens auch nach Hartplastik aussieht und zweitens nicht durchgefärbt ist und daher leicht weiße Kratze auf schwarzem Grund entstehen, von denen der Leihwagen bereits zahlreiche zu bieten hat.
Wie in vielen Modellen des VW-Konzerns habe ich während meiner Fahrt auch im Golf brauchbare Getränkehalter vermisst. Die Ablage in der Mittelkonsole lässt sich wohl mittels eines primitiven Mittelstegs zum Dosen- bzw. Flaschenhalter umfunktionieren, aber da das Fach sehr flach ist, sollte man wegen der Umkippgefahr auf offene Getränke (Dosen, Kaffeebecher) verzichten.
In die Mittelkonsole war beim Leihwagen ein Navigationssystem mit Touchscreen verbaut, dessen Bedienung keine Fragen aufwirft. Gleichwohl ist der Bildschirm sehr klein und die Darstellung wirkt antiquiert wegen der trüben Farbdarstellung und den groben Pixeln.
Allerdings habe ich das Navigationsgerät ohnehin nicht nutzen können, da ich während der langen Fahrt gerne eine MP3-CD hören wollte. Da das Navigationsgerät nur über einen CD bzw. DVD-Schacht verfügt, muss man sich entscheiden zwischen Musikhören und Navigation. Somit war ich dann doch gezwungen mein portables Navigationssystem mitzunehmen, um beides zu ermöglichen.
Bei Toyota gibt es seit jeher zwei CD- bzw. DVD-Schächte, damit man sich gleichzeitig navigieren lassen und dazu noch Musik von CD hören kann. Wobei die Zeit solcher Geräte in Zeiten von Festplattennavigationssystem ohnehin vorbei sein dürfte.
Unterhalb des Navigationssystems befindet sich die Bedieneinheit der Klimaautomatik. Die Temperatur wird über Drehregler eingestellt, die sich etwas billig anfassen und zu tief positioniert sind. Auch hier wieder das typisch deutsche Paradoxon: Die Temperatur lässt sich nur in ganzen Gradschritten einstellen, was mir eine effektive Temperaturregelung unmöglich gemacht hat. 21 Grad waren zu kalt, 22 Grad hingegen zu warm.
Die Temperatur wird mittels schwach beleuchteter Piktogramme (Schriftgröße 10 maximal) angezeigt, die sich rund um die tief platzierten Drehregler befinden. Würde die Temperatur nicht während der Einstellung auch auf dem optionalen Navigationsbildschirm angezeigt, wäre diese Lösung mehr als unbefriedigend. Bzw. ist sie das sofern das Navigationssystem nicht mit dazu geordert wird.
Die Instrumente lassen sich gut ablesen, wenngleich ich die ungleiche Skalierung des Tachos unschön finde und die höheren Geschwindigkeiten sehr dicht beieinander stehen.
Tankanzeige und Temperaturanzeige sind geradezu winzig. Mir ist rätselhaft, warum hier keine größere Darstellung gewählt wurde.
Die Schalter der Fensterheber und der Spiegelverstellung sind dank der Golf V-Türverkleidungen gut erreichbar. Dies ist im Golf VI leider nicht der Fall.
Identisch sind leider die vollkommen überfrachteten Lenkstockhebel und die sinnlose Zerstreuung der Lichtfunktionen.
Bei japanischen Autos ist es in der Regel so: Im linken Lenkstockhebel sind alle Lichtfunktionen (Abblendlicht, Fernlicht, Nebelscheinwerfer, Nebelschlussleuchte, Blinker) gebündelt und im rechten Lenkstockhebel alle Scheibenwischerfunktionen (Frontscheibenwischer, Intervalleinstellung, Heckscheibenwischer). Für den Tempomat gibt es einen separaten Hebel oder die Tasten sind, wie auch die Tasten der der Bordcomputer-Bedienung im Lenkrad integriert.
Bei vielen deutschen Autos, aber insbesondere bei Volkswagen ist das leider nicht so. Einige Lichtfunktionen (Blinker und Fernlicht) sind im linken Lenkstockhebel untergebracht, andere in einem Schalter im Armaturenbrett. Der Sinn dieser Funktionszerstreuung erscheint mir nicht, zumal dieser Schalter im Armaturenbrett logischerweise weiter vom Lenkrad und damit von den Händen, als der Lenkstockhebel entfernt liegt.
Zum Ausgleich hat man aber die Lichtfunktionen und die Tempomatfunktionen im linken Lenkstockhebel zusammengefasst. Die Sinnhaftigkeit dieser Vorgehensweise erschließt sich mit nicht.
Zusätzlich konnte man sich auch nicht auf einheitliche Bedienelemente einigen. So wird der Tempomat mittels eines etwa 4mm kleinen Kipphebels aktiviert, die eigentliche Bedienung erfolgt aber über einen seitlichen Druckknopf. Bei der (De-)Aktivierung der Geschwindigkeitsregelanlage muss man nicht nur die Hand seitlich verdrehen, sondern auch noch aufpassen, beim Umlegen des Hebels nicht versehentlich die Antippfunktion des Blinkers zu aktivieren, deren Vorhandensein ich an dieser Stelle jedoch lobend erwähnen möchte.
Im rechten Lenkstockhebel befinden sich beim Golf zum Glück nur die Scheibenwischerfunktionen. In einigen anderen VW-Modellen sind noch mittels einer Taste (unter!) dem Lenkstockhebel die BC-Funktionen abrufbar bzw. tlw. über eine zusätzliche Taste am Ende des Lenkstockhebels.
Warum der Hebel bei vielen deutschen Fahrzeugen, so auch bei Volkswagen, zur Einstellung der verschiedenen Wischgeschwindigkeiten nach oben bewegt werden muss, habe ich auch nie verstanden. Bei asiatischen Fahrzeugen ist es in aller Regel umgekehrt, was der menschlichen Anatomie, alles herunterdrücken zu wollen, doch eigentlich eher entgegenkommt.
Weiterhin wird auch die Geschwindigkeit des Intervalls über einen winzigen Kipphebel, ähnlichem dem der Geschwindigkeitsregelanlage, eingestellt. Ein großer Drehring bzw. eine drehbare Spitze des Lenkstockhebels, wie bei asiatischen Fahrzeugen üblich, empfinde ich als deutlich intuitiver und leichter zu bedienen, weil die Finger einfach eine gescheite Auflagefläche haben.
Weiterhin erschließt sich mir die Form der bei VW üblichen Lenkstockhebel nicht. Die Hebel sind dermaßen flach, dass der Finger bei der Bedienung nur minimal aufliegt. Dieses Gefühl empfinde ich als unangenehm, bzw. mindestens als ungewohnt.
Sehr störend bei Dunkelheit sind die Spiegelblinker der Golf V-Außenspiegel. Leider geht die Plastikabdeckung des Blinkers bis zum Spiegelglas, so dass die Betätigung des Blinkers bei Dunkelheit zu heftiger Blendung führt.
Lassen wir aber nun den 1.4 TSI-Motor an. Im Innenraum gibt sich dieser sehr leise, wenngleich unschöne Geräusche jedweder Art (rasseln, pfeifen, schaben) zu vernehmen sind, wie bislang bei allen TSI-Motoren erlebt. Faszinierend ist aber die Geräuschkulisse von außen. Insbesondere bei geöffneter Motorhaube erinnert diese an einen Diesel (siehe Video).
Vertrauenserweckend ist diese Geräuschkulisse nicht, aber das will ja zunächst nichts heißen. Ein ungutes Gefühl fährt natürlich immer mit, da diese Motoren für Ihre Defektanfälligkeit ja inzwischen berüchtigt sind.
Einmal in Fahrt fällt sofort die inhomogene Leistungsentfaltung auf. Bis der Turbolader einsetzt kann man von Beschleunigung nicht sprechen, dann gibt es einen für einen 122 PS-Motor respektablen Turboschub. Auch auf der Autobahn ist man mit diesem Golf nicht untermotorisiert.
Seine Schwierigkeiten hat der Motor jedoch seltsamerweise bei Steigungen. Schon bei kleinen Bergen musste ich teilweise runter in den zweiten Gang, da das Fahrzeug sonst langsamer wurde und mit Motordröhnen nach einem niedrigeren Gang verlangt hat.
Fleißige Schaltarbeit ist bei diesem Motor leider Grundvoraussetzung, was aber angesichts der leichtgängigen und präzisen Schaltung kein Problem darstellte. Nur der Rückwärtsgang hat trotz Synchronisierung manchmal gekratzt. Und ja, ich das Fahrzeug stand grundsätzlich still beim Einlegen des Rückwärtsgangs.
Der Verbrauch lag zwischen 6,5 und 8,5 Liter laut Bordcomputer. Bei gemächlicher Fahrt bis 130 km/h waren minimal 6,5 Liter möglich. Der Prius III verbraucht bei diesem Fahrprofil nur etwa 4,7 Liter. Die 8,5 Liter haben sich aus schnelleren Autobahnetappen ergeben. Allerdings bin ich maximal 160 km/h gefahren. Auch bei diesem Fahrprofil verbraucht der Prius etwa 1,5 Liter weniger auf 100km.
Im Gegensatz zum normalen Golf empfand ich das Fahrwerk auch bei höheren Geschwindigkeiten als sicher. Anscheinend ist der Variant anders abgestimmt. Gleichwohl empfand ich den Federungskomfort als absolut angenehm und nicht zu straff.
Nur die Lenkung könnte bei höheren Geschwindigkeiten mehr Rückmeldung vermitteln. Diese ist zudem zu leichtgängig und um die Mittellage herum unpräzise.
Als bissig und standfest haben sich die Bremsen erwiesen.
In Summe kostet der Wagen wie von mir gefahren vermutlich knapp 26.000 Euro. Entsprechend habe ich mal das Sondermodell Match konfiguriert. Ein Golf Variant von der Stange dürfte noch teurer sein.
Fazit:
Positiv sind die Individualisierungsmöglichkeiten, der für ein konventionelles Auto niedrige Verbrauch, die gute Geräuschdämmung und der gute Federungskomfort. Verarbeitungsmängel im Detail, Bedienschwächen, das geringe Platzangebot und der geringe Sitzkomfort im Fond zeigen aber, dass der Golf Variant in die Jahre gekommen ist, wenngleich diese Dinge auch auf den konventionellen Golf zutreffen. Möglicherweise ist der Golf VII ja in diesen Punkten besser. Dass dieses antiquierte Modell aber von der Presse bis zum Schluss als durch die moderne Konkurrenz unbesiegbar und als Maßstab dargestellt wird, schockt mich immer wieder aufs Neue. Ich sehe dieses Auto von seinen Eigenschaften her maximal im (hinteren) Mittelfeld der Kompaktklasse, aber keineswegs als überlegenen Maßstab an.
Außenspiegel sind nicht richtig anklappbar.
Die Qualität der Sitzbezüge wirkt minderwertig.
Die Spaltmaße sind breit und ungleichmäßig.
Der Getränkehalter ist flach, gibt den Getränken keinerlei Halt und verdient eigentlich den Namen nicht.
Ebenenversatz zwischen Motorhaube und Kotflügel.
Positiv: Es gibt auch Lüftungsdüsen im Fond.
Tief angebrachte Rückbank
Überfrachtete Lenkstockhebel mit fummeligen "Kipphebelchen".
Auch im Innenraum gibt es teils unschöne Passungen.
Das Hartplastik ist nicht durchgefärbt und extrem kratzempfindlich.
Aus beiden Sitzlehnen ragen hinten auf Kniehöhe jeweils zwei Metallstife heraus. Das halte ich für sehr gefährlich.
Die Lenkradnaht löst sich bereits auf.
Das ist das Resultat, wenn man im Golf gleichzeitig Musik hören und sich navigieren lassen will.
Das Zündschloss ist unbeleuchtet. Dafür werden die Füße im Dunkeln dauerhaft beleuchtet. Es kommen Kunststoffe in diversen Schwarz-Grautönen zum Einsatz.