In den letzten Tagen habe ich insgesamt vier Stunden in einem interessanten Fahrzeug verbracht, einem autarken Diesel-Schienenbus der Burgenlandbahn. Der tuckert im Stundentakt ganz gemütlich durch das Tal der Unstrut, jeweils 48 Minuten lang auf der nicht-elektrifizierten Strecke zwischen Naumburg/Saale und Nebra-Wangen (Sachsen-Anhalt):
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de.wikipedia.org/wiki/Unstrutbahn
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maps.google.de/maps?saddr=nebra-wangen&a...amp;z=11&start=0
Das Fahrgefühl war interessant. Ich vermutete eine dreistufige Wandler-Automatik mit einer Art zuschaltbarer mehrstufiger Motorbremse, so wie es sich in manchen LKW anfühlt. Es verhält sich aber technisch etwas anders. In den Weiten des Internets habe ich ein paar interessante technische Daten dazu gefunden:
Zitat:
Das Kernstück ist der hydrodynamische Wandler, ein Gegenlaufwandler. Davor liegt die Pumpenbremse, die Durchkupplung, das Differenzialgetriebe zur Leistungsteilung und die Eingangskupplung. Hinter dem Wandler führt ein Planetengetriebe die hydrodynamischen und mechanischen Kräfte zusammen. Mit dem dritten Planetensatz wird die Retarderfunktion aktiviert. Ein hydraulisch gedämpfter Torsionsschwingungsdämpfer zwischen Dieselmotor und Stirnradgetriebe absorbiert die Schwingungen des Motors.
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www.unstrutbahn.de/docs/3-614_d_02_g1614_lvt_d.pdf
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suite101.de/article/der-triebwagen-lvts-von-dwa-bautzen-a64696
Mit dem 360 PS-Diesel würde der Schienebus bis zu 100 km/h schaffen, darf aber auf dieser Strecke nur maximal 50 km/h schnell fahren. Die Beschleunigung ist ausreichend, hält sich aber in Grenzen - das Ding ist schwer. Es sind keine Vibrationen zu spüren, egal bei welcher Drehzahl. Man kann aber beim Beschleunigen drei Drehzahlsprünge mehr hören als spüren, die man auch auf dem Drehzahlmesser sehen kann.
Ich habe mich so gesetzt, dass ich die Instrumente des Fahrers beobachten konnte. Im Leerlauf dreht der Diesel mit 700 Umdrehungen vor sich hin, der Drehzahlmesser reicht bis 2500. Bei voller Beschleunigung liegen kurzfristig bis zu 2300 Umdrehungen an. Bei Tempo 50 liegen etwa 1200 Umdrehungen an.
An jedem Bahnübergang gibt es ein Schrankenwärterhäuschen, in dem tatsächlich jemand drin sitzt (und vermutlich auch dort wohnt), mit dem Zugführer kommuniziert und die Schranken manuell bedient. Es gibt zahlreiche Bahnübergänge auf der Strecke und ebensoviele bemannte Schrankenwärterhäuschen, ich war aufrichtig erstaunt! Als ich einmal mit dem Auto die Strecke querte, hat die Schrankenwärterin sogar noch kurz gewartet, mir aufmunternd zugewunken und mich durchfahren lassen, bevor sie hinter mir die Schranken geschlossen hat.
In jedem Triebwagen sitzen der Fahrer und ein Schaffner in DB-Uniform. Das wirkt wie aus einer anderen Zeit, denn der ganze Zug besteht nur aus diesem einen Wagen. Der Service ist unvergleichlich, die Schaffner beraten und verkaufen Tickets, beantworten auch Fragen nach touristischen Zielen, sind freundlich und serviceorientiert und eigeninitiativ. Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was mir als ÖPNV-Benutzer sonst so widerfährt.
Wir reden hier wohlgemerkt von einer Bahn im Nahverkehrsverbund, nicht etwa von einem Touristenzug. Als relativ preiswertes Nahverkehrsmittel auf landschaftlich reizvoller Strecke ist die Bahn durchaus frequentiert, wobei die Züge nicht voll ausgelastet sind. Viele nehmen ihre Fahrräder mit, dafür ist ausreichend Platz.
Hoffentlich bleibt die Unstrutbahn noch länger erhalten, nachdem die Weiterführung der Strecke ins thüringische Artern bereits gekappt wurde. Eine Initiative zum Erhalt und zur Reaktivierung der Gesamtstrecke gibt es hier:
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www.unstrutbahn.de
Grüße, Egon